Streiter für die
Demokratie

Mit der Feder für ein vereintes Land und bürgerliche Rechte

Im 19. Jahrhundert wurde der Wunsch nach einem vereinten Deutschland immer lauter. Der adlige Dünkel jedoch versperrte den Weg in eine gemeinsame, alle Schichten der Bevölkerung durchdringende Zukunft. Hoffmanns unpolitischen Lieder waren Ausdruck seiner Empörung und trafen den Zeitgeist einer ganzen Generation. Seine Dichtungen verbreiteten sich wie ein Lauffeuer und er erlangte Berühmtheit. Im Exil in M-V unterstützte er die dortigen revolutionären Bemühungen.

Streiter für die
Demokratie

Mit der Feder für ein vereintes Land und bürgerliche Rechte

Im 19. Jahrhundert wurde der Wunsch nach einem vereinten Deutschland immer lauter. Der adlige Dünkel jedoch versperrte den Weg in eine gemeinsame, alle Schichten der Bevölkerung durchdringende Zukunft. Hoffmanns unpolitischen Lieder waren Ausdruck seiner Empörung und trafen den Zeitgeist einer ganzen Generation. Seine Dichtungen verbreiteten sich wie ein Lauffeuer und er erlangte Berühmtheit. Im Exil in M-V unterstützte er die dortigen revolutionären Bemühungen.

Das Gutshaus des Pächters Rudolf Müller in Holldorf ist für Heinrich Hoffmann von Fallersleben für vier Jahre Asyl und Heimat in Verbindung mit familiärer Freundschaft und politischem Gedankenaustausch.
(Repro: W. Karge)

Was verbindet den Germanisten Hoffmann von Fallersleben mit dem Gutsbesitzer Dr. jur. Gottlieb Samuel Schnelle aus Buchholz und dem Gutspächter Rudolf Karl Müller im benachbarten Holdorf? – Alle drei wollen das feudalständische System in Deutschland abschaffen. Der Kritiker Hoffmann attackiert das reaktionäre zersplitterte Staatengebilde. In Preußen als „politisch anstößig“ verfolgt, findet er in Buchholz Asyl. Dort gibt ihm der Gutsbesitzer Schnelle „Heimatrecht“ als „Kuhhirt“. Mit Müller in Holdorf verbindet Hoffmann enge Freundschaft, familiäre Wärme, ein sehr privater Austausch und Inspiration für seine Kinderlieder.

Schnelle und Müller wollen die Vorherrschaft des Adels in Mecklenburg brechen. Hoffmann unterstützt sie auf dem Weg zur Demokratie. Dem oppositionellen Schnelle ist er Berater in dessen Führungsrolle.

Widerstand und Reformideen werden mit Hoffmann von Fallersleben diskutiert

Schnelle und Müller reisen mit Hoffmann und seinen „Unpolitischen Liedern“ durch das Land. Nicht immer wird Hoffmann verstanden. „Kein Wunder, daß ich verletzte und verletzen mußte, das persönlich genommen wurde, was ich nur als Schäden und Gebrechen des deutschen Staats-Lebens darstellte, bespöttelte und besang.“ Im März 1844 geht es nach Wismar. Im April sind sie in Gerdshagen beim Schwager von Müller, in Hohenfelde bei Otto Wien, bei Johann Pogge auf Roggow und in Scharpzow bei Müllers Bruder, wo sie auch Fritz Reuter treffen.

Im März 1845 trifft er die Rostocker Professoren Karl Türk, Adolf Wilbrandt und Agathon Wunderlich. 1846 ist er in Neustrelitz und schreibt: „Der Meklenburger […] übertrifft in einem Punkte alle Deutsche: er übt eine Gastfreundschaft, die nicht aus Eitelkeit u. Dickthun, sondern aus einem wahren Herzensbedürfnis entspringt.“

In Mecklenburg ist Hoffmann von Fallersleben auch als Agitator unterwegs. Schon 1844 tritt er in Wismar im Hotel „Stadt Hamburg“ auf und kündigt bereits vorher den Verkauf seiner „Unpolitischen Lieder“ in der Zeitung an.
(Bildquellen: Stadtarchiv Wismar (oben & Mitte), Friedrich Lisch, Mecklenburg in Bildern (unten))
Reisen durch Mecklenburg

Die Karte des zersplitterten Deutschlands gleicht 1845 einem Flickenteppich. 36 souveräne Einzelstaaten wachen eifersüchtig über ihre Territorien. Hoffmann von Fallersleben will diese Grenzen beseitigen. Deshalb reist er auch während seines Asyls in Mecklenburg kreuz und quer durch Deutschland, bis in die Schweiz und nach Italien, um aus seinen „Unpolitischen Liedern“ vorzulesen, Vorträge zu halten und sich mit Gleichgesinnten zu treffen.

Reisen Hoffmann von Fallersleben 1844 bis 1848 (Grafik Fachwerkler)

Unpolitische Lieder

Die Unpolitischen Lieder waren ganz und gar nicht unpolitisch. Sie griffen die politischen Verhältnisse jener Zeit an – wie Kleinstaaterei, Pressezensur, Fürstenwillkür, Allmacht von Polizei und Militär. Sie trafen den Nerv der Zeit und wurden überall im deutschsprachigen Raum vorgetragen.

Das „Lied der Deutschen“ – unsere heutige Nationalhymne – ist eines der bekanntesten dieser Protestlieder. Das 1841 von Hoffmann von Fallersleben auf Helgoland geschriebene Lied mit einer 1797 komponierten Melodie von Joseph Haydn, verbreitete sich schnell über ganz Deutschland. In Rostock singen es Handwerker 1845 ihm als Ständchen. Im Lied spiegelt Hoffmann die Sehnsucht vieler Deutscher nach nationaler Gemeinschaft, die nicht durch kleinstaatliche Grenzen zersplittert sein soll. Dabei besingt er Deutschland in seinen damaligen Außengrenzen ohne Ansprüche auf Gebietserweiterungen. Ihm geht es um die Menschen, die darin leben und sich nach „Einigkeit und Recht und Freiheit“ sehnen.

Handschriftliche Notenfassung für Klavier von Joseph Haydn zum Loblied „Gott erhalte Franz, den Kaiser“, das er 1796/1797 in Wien zu Ehren des Kaisers Franz II. komponierte (Hob XXVIa:43). Der Text stammt von Lorenz Leopold Haschka. Die Melodie wurde später für das „Deutschlandlied“ von Hoffmann von Fallersleben genutzt.
Das „Lied der Deutschen“ ist für Hoffmann von Fallersleben nur eines seiner vielen politischen Botschaften, die er in Gedicht- und Liedform in großer Zahl verfasst. Er hat die Erhebung zur „Nationalhymne“ und vor allem ihre politische Instrumentalisierung nicht erlebt.
(Bildquelle: Museum Hoffmann von Fallersleben, Fallersleben)
Die Zeilen „Von der Maas bis an die Memel, von der Etsch bis an den Belt“ bezeichnen 1840 die äußersten Grenzpunkte der Staaten des Deutschen Reiches in den vier Himmelsrichtungen. Sie sind kein Anspruch auf Gebiete, die Deutschland damals nicht gehören.
(Grafik: Fachwerkler)
Knüppel aus dem Sack

Im Jahre 1812

Revolution in Mecklenburg

Vorspiel: bis 1848
Revolution: 1848/49
Nachspiel: bis 1918
Machtgerangel zwischen Großherzögen, Gutsbesitzern und größeren Städten

Gutsherren (die „Ritterschaft“) in Mecklenburg treffen sich zweimal im Jahr auf „Landtagen“ mit den Großherzögen und Vertretern größerer Städte. Samuel Schnelle macht als erster 1844 die Verhandlungen öffentlich. Schon wenn sie „nur durch den Druck zu Jedermann’s Kenntniß kämen, [würden] wohl die meisten Uebelstände beseitigt“, meint er. „Seine Feder war oft in Gift und Galle getaucht. […] Man gestand allgemein dem Werke zu, daß es mehr politische Aufklärung verbreite im Lande, als jemals geschehen sei“, sagt Luise Pogge auf Zierstorf. Auch ihr Mann und Stever auf Wustrow bringen mit ihren Anträgen die Landtagsleitung zu Wutausbrüchen. Gutspächter sind dort nicht zugelassen. Doch Hoffmann notiert über Rudolf Müller: „An Politik nahm er großen Antheil, und es gab für uns täglich Gelegenheit zu politisieren, da ja nun endlich auch das patriarchalische Mecklenburg in die politische Bewegung mit hineingerathen war.“

Der Zopf symbolisiert den „Landesgrundgesetzlichen Erbvergleich“ von 1755, der auch etwa 100 Jahre später immer noch nur die Fürsten, die Gutsbesitzer und die Vertreter einiger Städte auf den jährlichen Landtagen in Malchin und Sternberg an der Macht beteiligt
(Bildquelle: Friedrich Lisch, Mecklenburg in Bildern)
1849 erhält Mecklenburg eine der demokratischsten Verfassungen Deutschlands. Ein Jahr später ist wieder „Allens bi‘n Ollen“

Schnelle, Hoffmann und Müller entwickeln aus den Forderungen des Frankfurter Parlaments die „20 Forderungen des mecklenburgischen Volkes“. Das ist Hoffmanns politisches Abschiedsgeschenk. Im April 1848 ist der Weg frei für eine konstitutionelle Verfassung. Im Oktober 1848 gehören Stever, Müller und Schnelle zum Kern der linken Liberalen.

Die „20 Forderungen“ sind die Zusammenfassung aller Wünsche an eine demokratische Veränderung und ein völlig neues Machtgefüge in Mecklenburg. Sie werden in dieser Konsequenz in der Revolution nicht umgesetzt. (Repro: W. Karge)

Im April 1849 schreibt Müller an Hoffmann: „Es soll ein totaler Neubau aufgeführt werden […], dazu kommt noch daß unsere Abgeordnetenkammer so viel ganz närrische und unpractische Kerls zählt und daß kein Einziger von Allen je in einer Kammer gesessen hat.“ Doch wird 1849 ein Grundgesetz verabschiedet. Aber im April 1850 schreibt Müller: „Wie es hier hinsichtlich der Politik steht, weißt Du aus den Zeitungen. Nichts als Meineid, Verrath und Niederträchtigkeit!“ Im September wird das Grundgesetz für unwirksam erklärt.

Die Geheimpolizei nennt Schnelle 1851 „Freund von Hoffmann von Fallersleben […] thätigen und eifrigen Beförderer republikanischer Tendenzen“ und Mitglied „einer hochrothen demokratischen Partei“. Er zieht sich ins Private zurück und verkauft sein Gut. Auch Müller kehrt der Politik den Rücken und findet 1857 in Brandenbaum bei Lübeck ein neues Gut.

Die „Landes-Straf- und Besserungs-Anstalt“ wird 1839 in Bützow-Dreibergen als neu gebauter Gebäudekomplex mit getrennten Einrichtungen für Frauen und Männer eröffnet. Dort sollen die „Hochverräter“ ihre Strafen verbüßen.
(Repro: W. Karge)
In den Resten des alten Schlosses in Bützow befindet sich um 1850 das „Criminal-Collegium“ als oberste polizeiliche Ermittlungsbehörde. Hier sitzen die des „Hochverrats“ angeklagten Aktivisten der Revolution und warten auf ihren Prozess.
(Bildquelle: Friedrich Lisch, Mecklenburg in Bildern)
Nach der Haftentlassung aus Bützow veröffentlicht der Mitangeklagte und aus dem Universitätsdienst entlassene Professor Dr. Julius Wiggers den Ablauf der Ermittlungen gegen die „Hochverräter“ und stellt damit die mecklenburgische Justiz bloß.
(Repro: W. Karge)
Handwerker und Intellektuelle werden hart bestraft. Gutsbesitzer werden nicht verfolgt.

Anfang 1850 tritt der neue Landtag zusammen. Am 11. September 1850 erklärt der „Freienwalder Schiedsspruch“ die Verfassung für unwirksam. Müller kommentiert: „Unglaublich!! […] Alles wieder beim Alten u noch darüber hinaus.“

Im Juli 1852 werden die Professoren Christian Wilbrandt, Julius Wiggers und Karl Türk aus der Universität Rostock entlassen und im Mai 1853 mit neun anderen Demokraten in das Kriminalgefängnis Bützow eingeliefert, um sie in einem „Hochverratsprozess“ zu verurteilen. Sie erhalten unterschiedliche Zuchthausstrafen bis zu vier Jahren. Erst 1860 bekommen sie ihre bürgerlichen Rechte zurück. Revolutionäre Gutsbesitzer erhalten keine Strafen.

Hoffmann von Fallersleben ironisiert später das Verhalten der bürgerlichen Gutsbesitzer im wiedererstandenen ständischen Landtag: „Aus der einst drohenden bürgerlichen Opposition war Adelsschleppenträgerei geworden.“

Allens bliww‘t bi‘n Ollen – Die Herrschaft der Fürsten und Gutsbesitzer bleibt ungebrochen

Nach den Revolutionen in den deutschen Ländern wird fast überall eine konstitutionelle Monarchie eingeführt, bei der die Fürsten und Könige ihre Ämter behalten, gewählte Vertreter in bürgerlichen Parlamenten aber Mitspracherecht bekommen. Nur Mecklenburg-Schwerin, Mecklenburg-Strelitz und Schaumburg-Lippe bleiben ohne Parlament. Für Mecklenburg gilt wieder der „Landesgrundgesetzliche Erbvergleich“ von 1755. Fritz Reuter fasst das 1860 satirisch zusammen: „§ 1 Allens bliww‘t bi‘n Ollen. § 2 Wenn sick de Pierdjungens, Schepers un Kauhirders slagen willen, känen sei dat dauhn, un keiner hett sick dor mang tau stecken. § 3 (fehlt). § 4 (item) usw.“

Erinnerung 1848 / Scheidegruß an Mecklenburg

Leb wohl, du Land der guten Herzen! Du Wiege deutscher Gastlichkeit!
Du hießest freundlich mich willkommen in jener trüben, bangen Zeit.

Verfolgt im ganzen deutschen Reiche, aus meiner Heimat gar verbannt,
fand ich in dir, was ich verloren, fand ich in dir mein Vaterland.

Frei wie in deinen Saatgefilden der Vogel lebt, so lebt auch ich;
Frei wie der Vogel konnt ich singen, ich sang, und niemand störte mich.

Und was ich sang, es ist erfüllet: auch dir erblüht der Freiheit Glück,
und frohe Mutes kehr ich heute ins große Vaterland zurück.

Leb wohl, du Land der grünen Hügel ! Leb wohl, du Land der blauen Seen !
Und bist du auch dem Blick entschwunden, du bleibst in meinem Herzen stehn.

1. November 1848, Berlin

Quiz „Streiter für die Demokratie“

Frage 1 von 10

Wie sah Deutschland im 19. Jahrhundert aus?

Frage 2 von 10

Worum ging es in Hoffmanns Unpolitischen Liedern?

Frage 3 von 10

Von welcher Sehnsucht spricht Hoffmann im Lied der Deutschen?

Frage 4 von 10

Warum reiste Fallersleben durch ganz Deutschland, sogar bis in die Schweiz und nach Österreich?

Frage 5 von 10

Welche Position hatte Hoffmann an der Universität von Breslau?

Frage 6 von 10

Warum kam Hoffmann nach Buchholz?

Frage 7 von 10

Warum wurde Hoffmann ins Exil verbannt?

Frage 8 von 10

Was geschah zur Revolution 1848/49 mit Bürgerlichen, die den Staat anzweifelten?

Frage 9 von 10

War Hoffmann unter seinen Zeitgenossen bekannt?

Frage 10 von 10

Was verdanken wir Hoffmann heute?

Auswertung

Leider wurde gar keine Frage richtig beantwortet.

Mehr erfahren?

Ausführliche Informationen über den Dichter, Germanisten und Freiheitskämpfer hält das Hoffmann-von-Fallersleben-Museum bei Wolfsburg bereit.

Zur Website des Museums (Offsite) >

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