Streiter für die
Demokratie
Mit der Feder für ein vereintes Land und bürgerliche Rechte
Im 19. Jahrhundert wurde der Wunsch nach einem vereinten Deutschland immer lauter. Der adlige Dünkel jedoch versperrte den Weg in eine gemeinsame, alle Schichten der Bevölkerung durchdringende Zukunft. Hoffmanns unpolitischen Lieder waren Ausdruck seiner Empörung und trafen den Zeitgeist einer ganzen Generation. Seine Dichtungen verbreiteten sich wie ein Lauffeuer und er erlangte Berühmtheit. Im Exil in M-V unterstützte er die dortigen revolutionären Bemühungen.
Streiter für die
Demokratie
Mit der Feder für ein vereintes Land und bürgerliche Rechte
Im 19. Jahrhundert wurde der Wunsch nach einem vereinten Deutschland immer lauter. Der adlige Dünkel jedoch versperrte den Weg in eine gemeinsame, alle Schichten der Bevölkerung durchdringende Zukunft. Hoffmanns unpolitischen Lieder waren Ausdruck seiner Empörung und trafen den Zeitgeist einer ganzen Generation. Seine Dichtungen verbreiteten sich wie ein Lauffeuer und er erlangte Berühmtheit. Im Exil in M-V unterstützte er die dortigen revolutionären Bemühungen.
(Repro: W. Karge)
Was verbindet den Germanisten Hoffmann von Fallersleben mit dem Gutsbesitzer Dr. jur. Gottlieb Samuel Schnelle aus Buchholz und dem Gutspächter Rudolf Karl Müller im benachbarten Holdorf? – Alle drei wollen das feudalständische System in Deutschland abschaffen. Der Kritiker Hoffmann attackiert das reaktionäre zersplitterte Staatengebilde. In Preußen als „politisch anstößig“ verfolgt, findet er in Buchholz Asyl. Dort gibt ihm der Gutsbesitzer Schnelle „Heimatrecht“ als „Kuhhirt“. Mit Müller in Holdorf verbindet Hoffmann enge Freundschaft, familiäre Wärme, ein sehr privater Austausch und Inspiration für seine Kinderlieder.
Schnelle und Müller wollen die Vorherrschaft des Adels in Mecklenburg brechen. Hoffmann unterstützt sie auf dem Weg zur Demokratie. Dem oppositionellen Schnelle ist er Berater in dessen Führungsrolle.
Widerstand und Reformideen werden mit Hoffmann von Fallersleben diskutiert
Schnelle und Müller reisen mit Hoffmann und seinen „Unpolitischen Liedern“ durch das Land. Nicht immer wird Hoffmann verstanden. „Kein Wunder, daß ich verletzte und verletzen mußte, das persönlich genommen wurde, was ich nur als Schäden und Gebrechen des deutschen Staats-Lebens darstellte, bespöttelte und besang.“ Im März 1844 geht es nach Wismar. Im April sind sie in Gerdshagen beim Schwager von Müller, in Hohenfelde bei Otto Wien, bei Johann Pogge auf Roggow und in Scharpzow bei Müllers Bruder, wo sie auch Fritz Reuter treffen.
Im März 1845 trifft er die Rostocker Professoren Karl Türk, Adolf Wilbrandt und Agathon Wunderlich. 1846 ist er in Neustrelitz und schreibt: „Der Meklenburger […] übertrifft in einem Punkte alle Deutsche: er übt eine Gastfreundschaft, die nicht aus Eitelkeit u. Dickthun, sondern aus einem wahren Herzensbedürfnis entspringt.“
(Bildquellen: Stadtarchiv Wismar (oben & Mitte), Friedrich Lisch, Mecklenburg in Bildern (unten))
Reisen durch Mecklenburg
Die Karte des zersplitterten Deutschlands gleicht 1845 einem Flickenteppich. 36 souveräne Einzelstaaten wachen eifersüchtig über ihre Territorien. Hoffmann von Fallersleben will diese Grenzen beseitigen. Deshalb reist er auch während seines Asyls in Mecklenburg kreuz und quer durch Deutschland, bis in die Schweiz und nach Italien, um aus seinen „Unpolitischen Liedern“ vorzulesen, Vorträge zu halten und sich mit Gleichgesinnten zu treffen.
Unpolitische Lieder
Die Unpolitischen Lieder waren ganz und gar nicht unpolitisch. Sie griffen die politischen Verhältnisse jener Zeit an – wie Kleinstaaterei, Pressezensur, Fürstenwillkür, Allmacht von Polizei und Militär. Sie trafen den Nerv der Zeit und wurden überall im deutschsprachigen Raum vorgetragen.
Das „Lied der Deutschen“ – unsere heutige Nationalhymne – ist eines der bekanntesten dieser Protestlieder. Das 1841 von Hoffmann von Fallersleben auf Helgoland geschriebene Lied mit einer 1797 komponierten Melodie von Joseph Haydn, verbreitete sich schnell über ganz Deutschland. In Rostock singen es Handwerker 1845 ihm als Ständchen. Im Lied spiegelt Hoffmann die Sehnsucht vieler Deutscher nach nationaler Gemeinschaft, die nicht durch kleinstaatliche Grenzen zersplittert sein soll. Dabei besingt er Deutschland in seinen damaligen Außengrenzen ohne Ansprüche auf Gebietserweiterungen. Ihm geht es um die Menschen, die darin leben und sich nach „Einigkeit und Recht und Freiheit“ sehnen.
(Bildquelle: Museum Hoffmann von Fallersleben, Fallersleben)
(Grafik: Fachwerkler)
Knüppel aus dem Sack
Im Jahre 1812
Revolution in Mecklenburg
Machtgerangel zwischen Großherzögen, Gutsbesitzern und größeren Städten
Gutsherren (die „Ritterschaft“) in Mecklenburg treffen sich zweimal im Jahr auf „Landtagen“ mit den Großherzögen und Vertretern größerer Städte. Samuel Schnelle macht als erster 1844 die Verhandlungen öffentlich. Schon wenn sie „nur durch den Druck zu Jedermann’s Kenntniß kämen, [würden] wohl die meisten Uebelstände beseitigt“, meint er. „Seine Feder war oft in Gift und Galle getaucht. […] Man gestand allgemein dem Werke zu, daß es mehr politische Aufklärung verbreite im Lande, als jemals geschehen sei“, sagt Luise Pogge auf Zierstorf. Auch ihr Mann und Stever auf Wustrow bringen mit ihren Anträgen die Landtagsleitung zu Wutausbrüchen. Gutspächter sind dort nicht zugelassen. Doch Hoffmann notiert über Rudolf Müller: „An Politik nahm er großen Antheil, und es gab für uns täglich Gelegenheit zu politisieren, da ja nun endlich auch das patriarchalische Mecklenburg in die politische Bewegung mit hineingerathen war.“
(Bildquelle: Friedrich Lisch, Mecklenburg in Bildern)
1849 erhält Mecklenburg eine der demokratischsten Verfassungen Deutschlands. Ein Jahr später ist wieder „Allens bi‘n Ollen“
Schnelle, Hoffmann und Müller entwickeln aus den Forderungen des Frankfurter Parlaments die „20 Forderungen des mecklenburgischen Volkes“. Das ist Hoffmanns politisches Abschiedsgeschenk. Im April 1848 ist der Weg frei für eine konstitutionelle Verfassung. Im Oktober 1848 gehören Stever, Müller und Schnelle zum Kern der linken Liberalen.
Im April 1849 schreibt Müller an Hoffmann: „Es soll ein totaler Neubau aufgeführt werden […], dazu kommt noch daß unsere Abgeordnetenkammer so viel ganz närrische und unpractische Kerls zählt und daß kein Einziger von Allen je in einer Kammer gesessen hat.“ Doch wird 1849 ein Grundgesetz verabschiedet. Aber im April 1850 schreibt Müller: „Wie es hier hinsichtlich der Politik steht, weißt Du aus den Zeitungen. Nichts als Meineid, Verrath und Niederträchtigkeit!“ Im September wird das Grundgesetz für unwirksam erklärt.
Die Geheimpolizei nennt Schnelle 1851 „Freund von Hoffmann von Fallersleben […] thätigen und eifrigen Beförderer republikanischer Tendenzen“ und Mitglied „einer hochrothen demokratischen Partei“. Er zieht sich ins Private zurück und verkauft sein Gut. Auch Müller kehrt der Politik den Rücken und findet 1857 in Brandenbaum bei Lübeck ein neues Gut.
(Repro: W. Karge)
(Bildquelle: Friedrich Lisch, Mecklenburg in Bildern)
(Repro: W. Karge)
Handwerker und Intellektuelle werden hart bestraft. Gutsbesitzer werden nicht verfolgt.
Anfang 1850 tritt der neue Landtag zusammen. Am 11. September 1850 erklärt der „Freienwalder Schiedsspruch“ die Verfassung für unwirksam. Müller kommentiert: „Unglaublich!! […] Alles wieder beim Alten u noch darüber hinaus.“
Im Juli 1852 werden die Professoren Christian Wilbrandt, Julius Wiggers und Karl Türk aus der Universität Rostock entlassen und im Mai 1853 mit neun anderen Demokraten in das Kriminalgefängnis Bützow eingeliefert, um sie in einem „Hochverratsprozess“ zu verurteilen. Sie erhalten unterschiedliche Zuchthausstrafen bis zu vier Jahren. Erst 1860 bekommen sie ihre bürgerlichen Rechte zurück. Revolutionäre Gutsbesitzer erhalten keine Strafen.
Hoffmann von Fallersleben ironisiert später das Verhalten der bürgerlichen Gutsbesitzer im wiedererstandenen ständischen Landtag: „Aus der einst drohenden bürgerlichen Opposition war Adelsschleppenträgerei geworden.“
Allens bliww‘t bi‘n Ollen – Die Herrschaft der Fürsten und Gutsbesitzer bleibt ungebrochen
Nach den Revolutionen in den deutschen Ländern wird fast überall eine konstitutionelle Monarchie eingeführt, bei der die Fürsten und Könige ihre Ämter behalten, gewählte Vertreter in bürgerlichen Parlamenten aber Mitspracherecht bekommen. Nur Mecklenburg-Schwerin, Mecklenburg-Strelitz und Schaumburg-Lippe bleiben ohne Parlament. Für Mecklenburg gilt wieder der „Landesgrundgesetzliche Erbvergleich“ von 1755. Fritz Reuter fasst das 1860 satirisch zusammen: „§ 1 Allens bliww‘t bi‘n Ollen. § 2 Wenn sick de Pierdjungens, Schepers un Kauhirders slagen willen, känen sei dat dauhn, un keiner hett sick dor mang tau stecken. § 3 (fehlt). § 4 (item) usw.“
Erinnerung 1848 / Scheidegruß an Mecklenburg
Leb wohl, du Land der guten Herzen! Du Wiege deutscher Gastlichkeit!
Du hießest freundlich mich willkommen in jener trüben, bangen Zeit.
Verfolgt im ganzen deutschen Reiche, aus meiner Heimat gar verbannt,
fand ich in dir, was ich verloren, fand ich in dir mein Vaterland.
Frei wie in deinen Saatgefilden der Vogel lebt, so lebt auch ich;
Frei wie der Vogel konnt ich singen, ich sang, und niemand störte mich.
Und was ich sang, es ist erfüllet: auch dir erblüht der Freiheit Glück,
und frohe Mutes kehr ich heute ins große Vaterland zurück.
Leb wohl, du Land der grünen Hügel ! Leb wohl, du Land der blauen Seen !
Und bist du auch dem Blick entschwunden, du bleibst in meinem Herzen stehn.
1. November 1848, Berlin