Person und Zeitgenossen

Heinrich Hoffmann von Fallersleben
(1798 – 1874)

August Heinrich Hoffmann (von Fallersleben), geboren in Fallersleben (bei Braunschweig), wird 1819 Bibliothekssekretär in Bonn, 1823 Kustos der Zentral-Bibliothek in Breslau und 1835 Professor der deutschen Sprache und Literatur. Er veröffentlicht 1840 die politisch-kritischen „Unpolitische Lieder“ mit Riesenerfolg.

1841 verfasst er auf Helgoland das „Lied der Deutschen“, das später zur Nationalhymne wird. Preußen entlässt den Dichter 1842 aus dem Lehramt wegen „politisch anstößiger Grundsätze und Tendenzen“ sowie seinem Eintreten als Demokrat für ein einheitliches deutsches Vaterland. Andererseits ist er, wie viele seiner Zeitgenossen, ein aggressiver Antijudaist. Er flieht aus Preußen. 1844 bis 1848 hat er seinen Lebensmittelpunkt in Mecklenburg auf dem Gut von Gottlieb Samuel Schnelle auf Buchholz und dem Gutspächter Rudolf Müller im benachbarten Holdorf. Dort hält er Kontakt zu den Demokraten in Mecklenburg und fördert ihre Vorbereitungen für eine moderne Verfassung.

Nach 1848 wird er in Preußen teilweise rehabilitiert und geht nach Weimar. Ab 1860 ist er Bibliothekar des Herzogs von Ratibor zu Corvey, wo er 1874 stirbt.

Gottlieb Samuel Schnelle
(1803 – 1877)
Anwalt, Gutsbesitzer und Häftling

Samuel Schnelle macht 1822 sein Abitur im Schwerin, studiert Jura und wird Anwalt. 1828 übernimmt er sein Gut Buchholz. Ab 1834 führt er die liberale Opposition der Gutsbesitzer und wird deshalb verurteilt. Schnelle will eine Verfassung für die gesamte Bevölkerung. Er gelangt in das Vorparlament und in den „Fünfziger-Ausschuss“ in Frankfurt am Main. In Mecklenburg fordert er eine Verfassungsreform und wird dort 1848 in die Abgeordnetenversammlung gewählt. 1849 wird er Abgeordneter in der Kammer von Mecklenburg-Schwerin. Nach der Niederlage der Revolution 1850 zieht er sich aus der Politik zurück. 1855 verkauft er sein Gut und lebt meist in Rostock und Schwerin. Er stirbt an einem Nervenleiden in Blankenburg/Harz. Seine Erbbegräbnisstätte auf dem Friedhof in Buchholz ist unbekannt.

Bildquelle: Biographisches Lexikon für Mecklenburg, Bd. 8, S. 262

Exkurs: Der Gutsherr

Landwirt, Ortsvorstand, Wohnungsverwalter, Kirchenpatron, Schulverwalter, Dorfrichter und Familienvorstand – alles in einer Person

Gutsherren sind in Mecklenburg bis 1918 relativ unbeschränkte Herrscher über ihre „Untertanen“ und entscheiden in ihrem Gutsbezirk weitgehend selbständig. Doch diese Macht schließt auch die Verantwortung für das gesamte Leben dort ein. Die größte Sorge gilt aber der eigenen Familie. Normalerweise erbt der älteste Sohn das Gut. Ein Lehngut fällt ohne männlichen Erben an den Landesherrn zurück. Samuel Schnelle hat aber sieben Töchter. Deshalb muss er das Lehngut zum „Allodialgut“ wandeln. „Ich habe nämlich bisher keine andere, als weibliche Descendenten am Leben und dieser Umstand legt mir kategorisch die Pflicht auf, für die Zukunft meiner Kinder soviel als möglich zu sorgen.“

Der Vater ist als Familienvorstand für die Einhaltung von Moral und Wertvorstellungen verantwortlich. Er entscheidet über die privaten Finanzen, familiäre Kontakte, Ausbildung, Beruf und eheliche Verbindung der Kinder, oder die Verpflichtungen der Ehefrauen.

Bildquelle: Ulrich Bentzien, Mecklenburgische Volkskunde
Direktorial-Vermessungskarte des Gutes Buchholz von 1868 (Bildquelle: LHA Schwerin, Direktorialvermessungskarten, Buchholz)
Repro: W. Karge
Rudolf Karl Müller
(1813 – 1890)
Landwirt, Musikfreund und mecklenburgischer Demokrat

Vermutlich geht Rudolf als Sohn eines Gutspächters in eine Lehre bei seinem Onkel Friedrich Müller. Der bewirtschaftet Gerdshagen Hof und Hof Darze. 1833 bringt Rudolfs 15jährige Cousine Henriette einen Sohn zur Welt. Er heiratet sie zwei Jahre später. Friedrich Müller kauft das 290-Hektar-Gut Holdorf und übergibt es Rudolf zur Pacht, der damit Nachbar von Samuel Schnelle wird.

Müller lädt Heinrich Hoffmann von Fallersleben 1844 nach Holdorf ein. Beide entwickeln die „20 Forderungen des mecklenburgischen Volkes“. Im Oktober 1848 gehören Müller und Schnelle zum linken liberalen Zentrum. Anschließend wirkt Müller an der neuen Verfassung für Mecklenburg-Schwerin mit, die 1850 wieder verboten wird. Müller zieht sich zurück und übernimmt 1857 das Gut Brandenbaum bei Lübeck. Seine Ehe wird 1860 geschieden. Er heiratet die 24 Jahre jüngere dritte Tochter von Karl Türk. Die Freundschaft mit Hoffmann von Fallersleben und Schnelle bleibt bestehen.

Die Brüder Wiggers
Beide gehören zu den aktivsten Demokraten und sind mit Samuel Schnelle befreundet.

Der Vater, Prof. Dr. Gustav Friedrich Wiggers, ist Theologe an der Rostocker Universität. Der Sohn Julius wird ebenfalls Theologe an der Rostocker Universität. Moritz (1816 – 1894) wird Jurist und 1848 Präsident der Mecklenburgischen Abgeordnetenkammer. Julius (1811 – 1901) ist der Theoretiker der Revolution.

Schnelle beteiligt sich im Juni 1850 mit Moritz in Braunschweig an der Vorbereitung einer deutschen „Vereinigung zur gemeinsamen Förderung der demokratischen Bestrebungen“. Im September wird das demokratische Grundgesetz in Mecklenburg wieder aufgehoben. Moritz und Julius werden verhaftet. Zwei Tage zuvor heiratet Julius am 3.5.1853 Auguste Schnelle, die Tochter von seinem politischen Freund. Nach der Haftentlassung bleiben die Brüder politisch aktiv, werden Reichstagsabgeordnete und führen die Liberale Partei in Mecklenburg.

Verfolgt und inhaftiert

Fritz Reuter (1810 – 1874)

Geboren in Stavenhagen, studiert er Jura und wird 1833 wegen Majestätsbeleidigung sieben Jahre inhaftiert. 1845 beginnt seine erfolgreiche Karriere als plattdeutscher sozialkritischer Schriftsteller.

(Repro: W. Karge)

Ludwig Reinhard (1805 – 1877)

Geboren in Mustin, studiert er Theologie. Er wird Lehrer in Ludwigslust und Schulrektor in Boizenburg. Wegen scharfer politischer Satire in seinen Büchern und Schriften, sowie seiner linksdemokratischen Haltung in der Revolution erhält er Berufsverbot und wird inhaftiert.

Karl Türk (1800 – 1887)

Geboren in Muchow, studiert er vor allem Jura und Geschichte. Er wird Professor an der Rostocker Universität. Wegen seiner demokratischen Haltung in der Revolution wird er vier Jahre inhaftiert und als Professor entlassen.

(Repro: W. Karge)


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